Reisetagebuch

25 January 2005

greetings from delhi

einen vormittag verbringen wir in delhi, fuenf leute auf dem weg nach bodhgaya in bihar, sechsunddreissig stunden zugfahrt haben wir hinter uns und einen tag und eine nacht noch vor uns. es ist immer anders. mal geniesse ich die zugfahrt sehr, die naehe zu den menschen, die die ganze zeit froehlich verbringen, das vorbeiziehen der landschaften, und mal ist es anstrengend, keinen platz fuer sich zu haben, und immer im mittelpunkt der aufmerksamkeit zu sein.
im morgengrauen fahren wir nach delhi rein, was ich aus dem zugfenster sehe ist das uebliche bild, nur ein bisschen schlimmer. berge von plastik, plastikfluesse, plastikseen, neben grauen gebaeuden, dazwischen schutthaufen, als toiletten benutzt, auf denen die kinder hocken, eine plastikflasche voll wasser neben sich. neben den gleisen stehen oft die armseeligsten huetten aus allem moeglichen zusammengezimmert, unvorstellbar fuer uns, darin zu leben, und doch lebt da manchmal eine ganze familie, froh, nicht auf der strasse schlafen zu muessen.
es ist sehr kalt, im morgen fast null grad, neblig und selbst mittags hat die sonne es noch nicht geschaft, irgendwie zu den frierenden menschen durchzudringen. inder, die geld haben, tragen warme pullover und jacken, feste schuhe, muetzen, schals und handschuhe, andere nur ein wolltuch mehr als in der sengenden hitze des sommers, viele haben keine schuhe. ich sehe kinder auf den bahnhoefen, die wir durchfahren, an den haenden der eltern, auf dem weg nach irgendwo, zitternd, reglos, steif vor kaelte.
jetzt sind wir in einem teil delhis mit vielen shops, restaurant und hotels fuer touristen, es ist vielleicht zu frueh oder zu kalt, jedenfalls werden wir in ruhe gelassen und fast gar nicht belagert von verkaeufern. selbst die tourimeile ist so dreckig und stinkig, oder es ist so ein grosser unterschied aus dem sueden kommend, der vollen natur des suedens, ich weiss es nicht.
in ein paar stunden holen wir unsere rucksaecke aus dem cloakroom und besteigen den naechsten zug. ich bin ganz froh nicht hierbleiben zu muessen. weiter gehts ...
00:31:04 - ulrika -

20 January 2005

die sonne, mein herz

hier moechte ich eine kleine geschichte erzaehlen von thich nhat hanh, einem vietnamesischen moench, der wunderschoene buecher geschrieben hat.
er lebte irgendwo allein und ungestoert und irgendwie, ich weiss nicht wie, kam es, dass ein vierjaehriges maedchem ihm anvertraut wurde. fuer das maedchen wurde er der vater und fuer ihn war sie die tochter.
eines tages kamen die kinder der nachbarschaft zu ihnen, um gemeinsam zu spielen und der moench schenkte fuer die kinder apfelsaft aus in glaeser. zuletzt fuellte er das glas fuer das maedchen, und da es der rest aus der flasche war, war der saft trueb und es schwammen einige fruchtstuecke darin. das maedchen war enttaeuscht. der moench sagte: bleib nur hier, warte ein bisschen und du wirst sehen. sie warteten und nach einer weile senkten sich die fruchtstuecke und der saft im gas wurde so klar wie der der anderen kinder. das maedchen war gluecklich und fragt den moench: ist es das gleiche, was passiert mit dir, wenn du still sitzt und meditierst?
00:30:17 - ulrika -

01 January 2005


immer wieder blumen

in der schule

eingewachsen
04:21:25 - ulrika -

may all beings be happy

wie es sich unterscheidet, auf der einen seite das leben hier, das fuer viele menschen (fast) ganz normal weitergeht, auf der anderen seite die nachrichten im internet, der anblick der katastrophe im grossen und ganzen, die millionen toten und vielen vermissten auf einmal. es ist wohl erschreckender fuer laura, meine suesse schwester, nachrichten im fernsehen zu sehen, als fuer mich, die ich hier bin, nah zerstoerter doerfer, fluechtlingslager und weinender menschen.
was ich hier sehe gehoert zum leben, wie der anblick eines toten, es ist real, nicht ueberlebensgross, und es ist nicht nur schrecklich. ich weiss nicht, was in den fischenmenvillages vor sich geht, ich hoere nur von anderen die nachrichten. auroville hat refugeecamps errichtet und die comunitykueche solarkitchen, die mit solarenergie in ein paar stunden zweitausend essen kocht, versorgt die menschen. es wird geld gesammelt und matten, decken, kleidung, medikamente, es wird vorallem das trinkwasser behandelt. es wird aufgeraeumt, sich ausgeruht, es gibt verschieden teams und es waren sogar schon wichtige indische leute hier, die die arbeit der aurovillians geehrt haben, dass alles so schnell und entschlossen vor sich ging. wir haben nicht mitgeholfen, erst war der schreck zu gross und dann vielleicht wieder zu klein, denn im oberen teil aurovilles ist fast nichts von all dem zu spueren.
die letzten drei tage haben wir an einer introductiontour teilgenommen. mit dem fahrrad sind wir zu einigen der achzig verschiedenen comunities gefahren, haben wunderbare projekte kennengelernt wie zum beispiel die medical plants forreststation. hier wird das wissen ueber die medizinischen eigenschaften der pflanzen (es gibt keine pflanze ohne)gesammelt von kundigen menschen aus ganz tamil nadu, das wissen wird aufbewahrt, in doerfern wieder verbreitet, frauen werden unterwiesen, wie sie einfache medikamente aus ihrem kraeutergarten selbst herstellen koennen, es wird gepflanzt in den doerfern, von ueberall aus indien kommen leute, um sich keimlinge zu holen. dieses projekt befasst sich auch mit der wiederaufforstung, was in indien total wichtig ist. (da wo der urspruengliche wald ist an der kueste, war die flutwelle nicht so verheerend.)
es gibt auch andere projekte, die die internationale gemeinschaft aurovilles mit den umliegenden gegenden verbindet. es geschieht viel hilfe zur selbsthilfe. ausbildung spielt eine grosse rolle. die menschen entscheiden selbst, welche neuerung sie wuenschen fuer ihre doerfer, sie koennen hier verschiedene dinge lernen, schulabschluese machen.
aurovilleschulen sind sehr interessant, weil das ganze thema hier ganz anders behandelt wird als anderswo. lernen ist ein nie endender prozess, das ist philosophie nummer eins. kindern hier wird vorallem beigebracht, selbstbewusst zu sein. die kinder haben in allen erwachsenen gute freunde, wachsen in einer grossen familie auf, entdecken die welt auf ihre weise, und die erwachsenen sehen, dass so in ihnen auf ganz natuerliche weise der wunsch entsteht, sich zu integrieren, englisch und tamil zu lernen oder wie es ist, mit menschen zusammen zu leben. neugierig ist der mensch sowieso und wenn ein kind sich fuer etwas von sich aus interessiert, hoert es nicht auf, fragen zu stellen. die juengeren haben viel zeit zu spielen und sie kennen nicht den typ lehrer, der ihnen sagt, was sie tun sollen. der lehrer, mit dem unsere gruppe gesprochen hat, fragt seine ungefaehr fuenfzehn jahre jungen studenten, was sie interessiert, woran sie arbeiten, was sie erforschen wollen und einer sagt dann vielleicht: das thema schmerz will ich erforschen. der lehrer hilft, gibt hinweise, ideen, weiss meist nicht viel mehr als der student selbst. er empfiehlt, ins krankenhaus zu gehen, mit menschen zu sprechen.. und fuer den lehrer gibt es keine sich wiederholenden schuljahre.
ich finde die ansaetze hier gut, habe ja selbst die erfahrung gemacht, dass ich eigentlich erst anfing zu lernen, als die schule zu ende war. was hat mir diese schule gegeben, lesen und schreiben, aber kein vertrauen in mich,keine freude, keine leichtigkeit und nichts von dem, was ich wichtig finde, zu lernen.
wir haben viel gesehen, sind mit fahrraedern rote sandwege durch gruenen wald gefahren. die architektur hier ist faszinierend, low technology, aber die gebaeude sehen aus wie ufos, manche gelandet vor dreissig jahren, andere gerade gestern.
ja es gibt so viel ueber diesen ort zu sagen, obwohl ich immer noch gar nichts weiss. auf jeden fall wuensche ich, dass die ideen von menschen weitergetragen werden und vorallem die realisation derselben auch in anderen gegenden unserer erde fruchtet, es ist so wichtig, etwas/alles zu aendern.
und ich wuensche allen ein fantastisches liebe- und lichtvolles neues jahr
unmoeglich gibts nicht!!
03:26:39 - ulrika -